Jobs wie „Scrum Master“, „Product Owner“ und „Agile Coach“ sind 2019 im Trend.
8.8.2019
Jobs wie „Scrum Master“, „Product Owner“ und „Agile Coach“ sind 2019 im Trend: allein auf Indeed finden sich über 500 offene Stellen für den Suchbegriff „Scrum Master“. Die Mindestvoraussetzung für eine Stelle ist eine entsprechende Scrum Master Zertifizierung. In diesem Beitrag werden die Platzhirsche scrum.org und Scrum Alliance neutral betrachtet, als Entscheidungshilfe für die eigene agile Weiterbildung zum Scrum Master.
Der offizielle Scrum-Leitfaden, der Scrum Guide, kommt mit gerade einmal 19 Seiten aus. Da ist es wenig verwunderlich, dass die meisten Workshops zur Scrum Master Zertifizierung nicht länger als zwei bis drei Tage in Anspruch nehmen. Damit sind wir auch schon bei der ersten Gemeinsamkeit der beiden Anbieter: Beide Workshops nehmen in der Regel zwei bis drei Workshoptage in Anspruch, an deren Ende der Onlinetest zum Professional Scrum Master™ (PSM I) von scrum.org bzw. zum Certified ScrumMaster® (CSM®) von der Scrum Alliance steht.
Doch worin unterscheiden sich die Scrum Master Workshops, die Scrum Master Prüfungen und die Scrum Master Zertifikate? Hinter den beiden Anbietern stecken die Begründer von Scrum und Autoren des Scrum Guides Ken Schwaber (scrum.org) und Jeff Sutherland (Scrum Alliance).
Der Fokus der beiden Anbieter unterscheidet sich deutlich. Mit der Vision
„A world in which all software developers love their work, and their customers love working with them.“
stellt sich scrum.org eindeutig in Richtung Softwareentwicklung auf. Der Fokus liegt also da, wo Scrum seine Ursprünge hat: in der IT-Entwicklung.
Die Vision
„Transform the World of Work“
der Scrum Alliance lässt deutlich mehr Spielraum zu und ist bewusst nicht auf eine Branche spezialisiert, sonder sieht Scrum als ein Rahmenwerk, das branchenunabhängig einsetzbar ist.
Der Fokus der beiden Scrum-Organisationen färbt nach meiner Erfahrung allerdings nicht oder nur wenig auf den Inhalt eines Zertifizierungsworkshops ab. Beide nutzen den Scrum Guide als Quelle und bereiten auf die jeweilige Prüfung vor. Der zeitliche Puffer für Beispiele in- oder außerhalb der IT ist begrenzt.
Die Kosten für einen zweitägigen Zertifizierungsworkshop bei scrum.org bzw. der Scrum Alliance unterscheiden sich. Die Zertifizierung zum Scrum Master bei scrum.org ist mit ca. 1.100€-1.400€ für einen Zweitages-Workshop etwas günstiger, als die Zertifizierung bei der Scrum Alliance mit 1.400€-1.800€.
Neben den Kosten für den Workshop kommen bei der Scrum Alliance noch einmal Lizenzgebühren in Höhe von 100$ (pro Zertifizierung) dazu, die alle zwei Jahre anstehen. Neben dem finanziellen Aufwand steht noch eine zweite Bedingung, die zur Zertifikatverlängerung erfüllt sein muss: SEU (Scrum Education Units). Um das Scrum Master Zertifikat zu verlängern, müssen 20 SEU´s gesammelt werden. Das sind Punkte, die man erhält, in dem man Bücher liest, Artikel schreibt, als Freiwilliger bei einem Scrum Alliance-Event aushilft, usw. Dieser zeitliche und finanzielle Aufwand fällt beim scrum.org-Zertifikat weg, das Zertifikat muss nicht erneuert werden.
Am Ende des Workshops steht die Prüfung an. Sie ist bei beiden Anbietern Online, Multiple Choice und auf Englisch. Beide Prüfungen dauern 60 Minuten. Das Niveau der Fragen ist ebenfalls auf einem ähnlichen Level. Die Tests unterscheiden sich jedoch in zwei wesentlichen Punkten: Anzahl der Fragen und benötigte Prozentzahl, um zu Bestehen.
Kommt man bei der Scrum Alliance mit einer Quote von 69% richtig beantworteter Fragen noch durch, so muss man beim Test von scrum.org noch etwas mehr pauken und 85% der Fragen korrekt beantworten, um zu bestehen und das bei mehr als doppelt so vielen Fragen.
Der Scrum Master Test der Scrum Alliance hat 35 Fragen, der Test von scrum.org ganze 80 Fragen in der selben Zeit. Somit erscheint die Prüfung zum Scrum Master bei scrum.org im direkten Vergleich deutlich schwieriger. Sie ist jedoch auch gut machbar, keine Angst.
Beide Scrum Master Zertifikate sind gleichermaßen bekannt und weltweit anerkannt. Man kann also keine der beiden Organisationen pauschal als „besser“ bezeichnen. Beide verdienen ihr Geld letztlich mit Zertifizierungen und Lizenzgebühren. Scrum.org profitiert von einem anspruchsvolleren Test und der damit verbundenen Durchfallquote, die Scrum Alliance verdient am Lizenzgeschäft und dem regelmäßigen Verlängerungszwang der Zertifikate.
Wer langfristig sparen möchte ist bei scrum.org daher besser aufgehoben. Hier sind die Kosten für den Workshop günstiger und man kann sich ein Leben lang Professional Scrum Master™ nennen, ohne sich Gedanken über eine Verlängerung der Lizenz zu machen. Wer hingegen eine quasi 100%-Bestehgarantie sucht, der muss mehr Geld in die Hand nehmen und etwas mehr Zeit mitbringen. Initial für den Workshop, alle zwei Jahre für die Verlängerung des Zertifikates und für das dauerhafte Sammeln von Scrum Education Points.
Die in diesem Beitrag beschriebenen Rahmenbedingungen lassen sich auch auf die Product Owner-Zertifizierung anwenden. Es gibt lediglich einen Unterschied: Bei der Scrum Alliance steht am Ende des Workshops zum Product Owner keine Prüfung. Die Teilnehmer bestehen allein durch ihre körperliche Anwesenheit.
Und dieser Umstand ist eine Steilvorlage für mein Resümee: Ein Zertifikat, das einem Teilnehmer nach zwei Tagen einen Titel verleiht, ist nur bedingt aussagekräftig –ob mit, oder ohne Prüfung. Ein Scrum Master Zertifikat beweist lediglich, das die theoretischen Grundlagen des Frameworks bekannt und verstanden sind.
Die Qualität eines Scrum Masters lässt sich daher am ehesten mit der praktischen Erfahrung messen und nicht anhand der Anzahl der Zertifikate.
Auf geht’s also, in die Scrum Praxis, jenseits des Scrum Guide.
8.8.2019