Wie man mit Planning Poker und Storypoints ein gemeinsames Verständnis im Team schafft.
6.5.2021
Planning Poker ist eine Technik zur Aufwandsschätzung von Arbeitspaketen. Am weitesten verbreitet ist die Methode im Umfeld agiler Arbeit, wenn Teams mit Scrum, Kanaban oder anderen agilen Frameworks arbeiten. Je nach Einsatzgebiet wird also Scrum Poker oder Agile Planning Poker verwendet, Unterschiede gibt es aber sonst keine. In diesem Beitrag werden die Spielregeln von Planning Poker erläutert und wichtige Tipps für den praktischen Einsatz gegeben. Außerdem erfährst du Hacks, die dein Team noch besser machen.
Solltest du Fragen rund um das Thema Planning Poker haben, die auf dieser Seite nicht beantwortet werden, schreib uns gerne eine E-Mail, wir freuen uns auf dein Feedback. Dein Set Planning Poker Karten kannst du hier bestellen:
Planning Poker ist eine spielerische und motivierende Art, Arbeitsaufwand zu schätzen. Das Ziel von Planning Poker ist es, Konsens im Team zu erreichen, wieviel Arbeit in einer Aufgabe steckt. Der Aufwand wird dabei in sogenannten „Storypoints“ geschätzt: Hat eine Aufgabe zwei Storypoints, ist sie genau doppelt so groß wie eine Aufgabe mit einem Storypoint – ziemlich simpel also. Jede Karte steht für einen anderen Wert und alle Mitspieler erhalten ein Deck mit den gleichen Planning Poker Karten. Dann kann es losgehen:
Nachdem der Projektleiter, Product Owner oder Teamlead eine Aufgabe vorgestellt hat, werden als erstes Fragen beantwortet. Sind alle Fragen beantwortet, sucht sich jeder im Team eine Planning Poker Karte aus, entsprechend der geschätzten Größe dieses Arbeitspaketes. Im Anschluss drehen alle Mitspieler gleichzeitig ihre Karten um und vergleichen die Werte auf den Karten.
Wenn die Schätzungen zu weit voneinander abweichen, kann das zwei Hauptgründe haben: Entweder die Vorstellung der Aufgabe war missverständlich oder die Teammitglieder verfolgen andere Lösungsansätze. Der Spieler mit der niedrigsten Schätzung begründet nun seine Wahl, gefolgt vom Spieler mit der höchsten Schätzung – in dieser Reihenfolge. Sollte Bedarf bestehen, hat das Team jetzt die Möglichkeit kurz zu diskutieren.
Auf Basis dieser neuen Information folgt eine weitere Schätzrunde. Nach spätestens drei Schätz-Diskussions-Zyklen sollte dann eine Einigung erzielt sein. Planning Poker fördert somit die Kommunikation im Team erheblich und sorgt dafür, dass alle Aufgaben vor deren Bearbeitung schon im Team besprochen wurden. Dadurch wird ein transparentes Arbeitsumfeld geschaffen.
Es gibt zahlreiche Ansätze, Storypoints in ein Verhältnis zu setzen. Die gängigste „Einheit“ ist die Komplexität. Das Verständnis für Komplexität kommt vom ursprünglichen Einsatz von Planning Poker in Scrum Teams, die Software entwickeln. Doch außerhalb der Softwareentwicklung kann es schwer sein, alle Aufgaben anhand ihrer Komplexität zu schätzen. Für einige Teams fließt auch der Wert des Arbeitspaketes oder das mit der Aufgabe verbundene Risiko in die Storypoints mit ein.
Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass das Konzept Storypoints umso besser funktioniert, je abstrakter das Verständnis ist. Storypoints sind also alleine stark genug, um ohne Umrechnungseinheit auszukommen. Nach spätestens 20 geschätzten Aufwänden hat das Team im Kollektiv ein eigenes Verständnis, was ein Storypoint ist.
Tipp: Versuche in jedem Fall zu vermeiden, Storypoints an Stunden oder Arbeitstage zu koppeln. Storypoints sind abstrakt und nicht dafür gedacht, eine exakte Vorhersage über die Arbeitsdauer eines Aufgabenpaketes zu treffen. In einem weniger agilen Arbeitsumfeld besteht außerdem die Gefahr, dass die Storypoints als KPI für das Management dienen, um die Teamperformance zu messen.
Die Zahlen auf den Karten orientieren sich an der Fibonacci-Folge, wobei eine Zahl immer der Summe der beiden vorangegangenen Zahlen entspricht. Zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit ist die Fibonacci-Folge beim Planning Poker etwas vereinfacht. Die Zahlenreihe ist wie folgt: 0,1,2,3,5,8,13,20,40 und 100.
Insgesamt bilden also zehn Werte ein sehr großes Spektrum ab, wobei die Unschärfe mit steigender Anzahl an Storypoints zunimmt. Die HelloAgile Planning Poker Karten zeigen Kultobjekte, von einfach bis sehr komplex. Doch schauen wir uns die Karten im Detail an:
Der Treppenläufer dient als Metapher für eine Arbeit, die gar keine ist. Einmal angeschubst ist er ein Selbstläufer. In der Praxis steht die 0 für eine Aufgabe, die zum Beispiel weniger als 10 Minuten in Anspruch nimmt.
Das Jo-Jo ist wenig komplex. Es braucht nur eine Achse, um zu funktionieren. Demnach ist eine Aufgabe mit einem Storypoint einfach zu lösen und bedarf keiner großen Planung.
Der Tesa-Abroller ist technisch wenig komplex, allerdings doppelt so komplex, wie das Jo-Jo. Die entsprechende Aufgabe ist zwar einfach zu lösen, allerdings mit dem doppelten Aufwand einer Aufgabe mit einem Storypoint.
Es wird komplexer. Die Lavalampe nutzt elektrische Energie, um Wachs zu verflüssigen. Recht simpel, trotzdem wesentlich komplexer als das Jo-Jo und etwas komplexer als der Tesa-Abroller
Die Abstände zwischen den einzelnen Planning Poker Karten werden nun etwas größer, demnach komplexer. Ein Walkman beinhaltet einfache Technik und wird mit Batterien angetrieben. Fast doppelt so komplex also, wie die Lavalampe, deren Technik simpler ist.
Obwohl er aus den 90ern kommt, steckt im Gameboy jede Menge Technik. Es fließt Strom, der durch verschiedene Schaltkreise geleitet wird, eine grafische Oberfläche sorgt für die optische Darstellung und die unterschiedlichsten Spiele werden korrekt dargestellt.
Der Abstand und somit die Unschärfe der einzelnen Aufgaben steigt nun von Karte zu Karte schnell an. Der Komplexitätsunterschied zwischen Gameboy und Vespa ist erheblich. Der Verbrennungsmotor verwandelt Kraftstoff in Energie, die Lichtmaschine wandelt diese Energie in Strom um, der Auspuff, die Achsen, usw.
Ab hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Es geht nicht mehr nur um komplexe, technische Objekte, sondern um „Science Fiction“. In der Praxis sollte man überlegen, ob man das Aufgabenpaket nicht lieber in kleinere Pakete aufteilt, damit die Aufgabe innerhalb eines Arbeitszyklus vollständig bearbeitet werden kann.
Der Hasselhoff´sche Wegbegleiter. Weiß alles und kann alles, obwohl er in den 80ern zuhause ist. Neben „einfacher“ Komplexität kommt hier noch eine Prise Magic hinzu. Wir können also nicht vorhersagen, wie viel Aufwand und Komplexität tatsächlich in einer Aufgabe mit 40 Storypoints stecken.
Ein riesiges Gebilde an unfassbarer Komplexität und viel Fantasy. Ein Arbeitspaket mit 100 Storypoints muss zwingend aufgebrochen werden, um diese Aufgabe überhaupt bearbeiten zu können.
Aufgaben, die wesentlich komplexer sind als 100 Storypoints (also komplexer als der Todesstern🤯) können mit unendlich geschätzt werden. Passend dazu die Zeitmaschine, deren Komplexität selbst mit viel Phantasie nicht mal zu erahnen ist.
Noch undurchschaubarer als die Zeitmaschine ist nur die Planning Poker-Karte mit dem Einhorn. Man erkennt hier nicht mal einen Ansatzpunkt, um Komplexität messen zu können. Die Karte mit dem Fragezeichen steht also für völlige Ahnungslosigkeit und wird typischerweise von Neulingen im Team gezückt, was Anlass zur Erläuterung gibt.
Die Luft ist raus? Dann machen wir eine Pause! Planning Poker kann sehr anstrengend und fordernd sein, weshalb jeder zu jeder Zeit eine kurze Pause einfordern kann. Eine Partie Pong kommt da wie gelegen ;).
Kommen wir zum praktischen Einsatz von Planning Poker. Lass uns dafür als Beispielprojekt das Projekt „Bäckerei eröffnen“ schätzen. Einige Aufgabenpakete könnten hier die Folgenden sein:
Nachdem die Aufgaben feststehen, sind zum Start von Planning Poker mindestens zwei „Referenzaufgaben“ mit bekannter Storypoint-Schätzung notwendig. Das sind im besten Fall Aufgaben, die schon gelöst wurden und allen im Team bekannt sind.
Gehen wir davon aus, eine Immobilie wurde bereits gefunden und der Ofen ist gekauft. Die Immobilie zu finden war aufwändiger als gedacht. Insgesamt wurden zwei Makler engagiert und nach 5 Besichtigungsterminen der Mietvertrag unterschrieben. Bewerten wir diese Aufgabe mit 13 Storypoints. Der Ofen war dagegen sehr leicht zu beschaffen. Nach einer kurzen Recherche im Internet ging die Bestellung raus und der Ofen wurde vom Lieferanten aufgestellt und angeschlossen. Wir bewerten diese Aufgabe mit 2 Storypoints. Die Entscheidung, 2 und 13 Storypoints zu verteilen, wird im Team getroffen. Es kommt hierbei nicht auf die Höhe der Storypoints an, sondern nur um den relativen Vergleich der Aufgaben zueinander: Die Aufgabe „Immobilie finden“ war mehr als sechsmal so groß, wie die Aufgabe „Ofen kaufen“. Damit ist die Basis für ein gemeinsames Verständnis gebildet. Die Größe der folgenden Aufgaben bezieht sich also immer relativ zur Größe der bereits geschätzten Aufgaben.
Nun stellt der Projektleiter die nächste Aufgabe vor und erläutert den Inhalt. Allen im Team sollte danach klar sein, dass „Bäcker anstellen“ die Mitarbeitersuche, sowie die Bewerbungsgespräche enthält, bis hin zur Unterschrift des Arbeitsvertrages. Nachdem alle offenen Fragen geklärt sind, vertiefen sich die Teammitglieder in ihre Planning Poker Karten. Nach einem Countdown dreht jeder seine gewählte Karte um. Drei Teammitglieder zeigen eine 5, einer eine 13 und einer eine 3. Demnach ist klar, dass nicht jeder im Team das gleiche Verständnis der Aufgabe hat. Die niedrigste und die höchste Schätzung wird nun von den jeweiligen Teammitgliedern erläutert. „Drei Storypoints, weil ich nicht denke, dass der Aufwand viel größer ist, als den Ofen zu beschaffen“ ist die erste Aussage. Die 13 wurde gewählt, weil die Erstellung des Arbeitsvertrages inkl. Beratung vom Anwalt noch in der Schätzung berücksichtigt wurde. Der Projektleiter erläutert darauf hin, dass die Erstellung des Arbeitsvertrages nicht Teil der Aufgabe ist.
Nun geht die zweite Schätzrunde los. Alle Teammitglieder beziehen nun die bisher getätigten Aussagen und die weiterführenden Infos des Projektleiters in ihre zweite Schätzung mit ein. Alle zeigen jetzt zugleich ihre neue Schätzung und drehen die Planning Poker Karten um.
Nun haben wir folgende Konstellation: vier Teammitglieder zeigen jeweils eine Fünf, einer eine Acht. Nun könnte man noch einmal über die Wahl der Karten sprechen um einen Konsens zu erreichen. Die Schätzungen liegen allerdings so nah bei einander, dass man sich in der Planning Poker-Praxis auf eine Fünf einigt, wenn alle damit einverstanden sind. Die Fünf wird vermerkt und der Projektleiter stellt die nächste Aufgabe vor.
Planning Poker schafft einen Rahmen für die regelmäßige Kommunikation im Team. Egal, ob im selben Raum oder remote, verteilt auf der ganzen Welt. Das Team findet sich regelmäßig zusammen und spricht über Aufgaben die anstehen.
Planning Poker sorgt für ein einheitliches Verständnis, was die Größe und den Umfang einer Aufgabe angeht. Ob die Aufgabe in einem Satz auf einem Post-it steht, oder ausführlich im digitalen Projektmanagement-System beschrieben ist, es ist immer ratsam, im Team über jede Aufgabe zu sprechen. Einen perfekten Rahmen zur Kommunikation gibt das Planning Poker. Sollte sich das Verständnis für die Aufgabe im Team unterscheiden, wird das spätestens sichtbar, wenn das Team gleichzeitig die Planning Poker Karten zeigt. Das Team kontrolliert das gemeinsame Verständnis also schon während der Planung.
Nach einem Arbeitszyklus – im agilen Projektmanagement, Sprint genannt – werden die Storypoints der erledigten Aufgaben zusammengezählt und dokumentiert. Über die Zeit erhält man dadurch einen Wert, der potentiell die Dauer von kommenden Aufgaben vorhersagen kann. Hat mein Team in der letzten Woche 80 Storypoints erledigt, kann ich davon ausgehen, dass es in der nächsten Woche auch etwa 80 Storypoints schafft. Kontinuität schlägt hier Wachstum. Je ähnlicher die Wochenergebnisse sind, desto höher die Vorhersagegenauigkeit für die Zukunft. Teilt man dann noch das Teamergebnis durch die Personentage, steigt die Genauigkeit der Kennzahl noch weiter. In agilen Teams, zum Beispiel einem Scrum-Umfeld, wird diese Kennzahl Velocity genannt.
Über kurz oder lang wirst du in der Praxis erleben, dass sich das Team bzw. einige Kollegen nicht einigen können, da das Verständnis einer Aufgabe nicht auf einen Nenner zu bringen ist. Liegen die Storypoints beider Parteien nicht allzu weit auseinander, dann könnte man die Grundregel einführen: Bei Unschlüssigkeit gewinnt die konservative Schätzung. Also tendiert ihr immer zur höheren Zahl. Sind die Schätzungen allerdings weit auseinander, dann ist es ratsam, einen Entscheider im Team zu haben, der den niedrigen oder hohen Wert wählt. Auch in agilen Teams ist Führung angebracht – so lange sie auf Augenhöhe ist. Storypoints und Planning Poker haben wie schon beschrieben nicht den Zweck, den genauen Aufwand zu messen. Sie setzen Aufgaben nur in ein gegenseitiges Verhältnis (X ist mehr als doppelt so groß wie Y).
Euer Team sollte immer daran denken, dass Storypoints keine exakte Messgröße sind. Alleine darum sollte man für die Schätzung einer Aufgabe nicht länger brauchen, als angemessen erscheint. Ein guter Richtwert sind max. 10 min pro Aufgabe, wobei sich der passende Wert von Team zu Team unterscheidet und abhängig von der Aufgabe ist. An die Timebox, auf die man sich geeinigt hat, halten sich dann alle Teammitglieder, was zu einer besseren Strukturierung führt und die Fokussierung erhöht. Sollte absehbar sein, dass die Timebox nicht ausreicht, ist dies ein Zeichen an den Projektleiter bzw. Aufgabensteller, die Aufgabe in kleinere aufzubrechen oder zusätzliche Informationen zu beschaffen.
Je mehr Teammitglieder, desto länger die Diskussion während der Erläuterung der Aufgabe und nach dem Zeigen der Planning Poker Karten. In Scrum wird eine Teamgröße zwischen 3 und 9 Mitgliedern empfohlen. Wir empfehlen, das Team möglichst klein zu halten und bereits ab 6-7 Mitgliedern über die Trennung des Teams nachzudenken. Je weniger Teammitglieder, desto geringer der zeitliche Aufwand für die Planung und Planning Poker.
Wie eingangs erwähnt kommt Planning Poker ursprünglich vom agilen Framework Scrum und wird daher auch Scrum Poker genannt. Scrum wiederum ist ein Framework, das in der Softwareentwicklung zum Einsatz kommt und für andere Branchen in originärer Form nicht geeignet ist. Im Gegenteil dazu kann Planning Poker allerdings branchenübergreifend zum Einsatz kommen. Einzige Bedingung: Es muss regelmäßig ein Planungsmeeting stattfinden. Je nach Branche und Komplexität der zu schätzenden Aufgaben empfehlen wir, etwa eine Stunde pro Woche für Planning Poker einzuplanen. In dieser Stunde wird natürlich nicht nur gepokert. Ihr könnt diese Zeit nutzen, um neue, große Aufgabenpakete initial zu erstellen und/oder als konkrete ToDos auszuformulieren.
Sobald Planning Poker in unabhängigen Teams im gleichen Unternehmen eingeführt wird, kann das zu einer Art Wettkampfsituation führen und die Teams vergleichen ihre Velocity miteinander. Das kann gutgehen, muss es aber nicht – je nach Unternehmenskultur: sportlicher Wettkampf oder Teams, die sich langsam voneinander entfernen.
Planning Poker ist mehr als Aufwandsschätzung und Storypoints. Die Kommunikation im Team und das gemeinsame Verständnis von Umfang und Größe einer Aufgabe machen das Arbeiten mit den Planning Poker Karten zu einem echten Teamereignis. Planning Poker kann als spielerische Methode den Weg hin zum agilen Mindset ebnen. Planning Poker ist in der Anwendung leicht zu handhaben und ist somit ein fester Bestandteil im agilen Werkzeugkasten. Dein Team braucht Hilfe oder die initiale Zündung in Sachen Agile Planning Poker? Sprich uns an, wir helfen gerne.
6.5.2021